Reisetagebuch Chile SW 2
Sonntag 22. Aug. 2010

Zwei Wochen sind nun schon vorbei und ich kann wirklich sagen, dass es mir hier mit jedem Tag besser gefällt. In der Wohnung habe ich mich gut eingelebt und das Verständnis der durchaus doch sehr schnellen Phrasen der Chilenen wird immer besser. Mit den Kursen funktioniert jetzt auch alles reibungslos, mit Ausnahme der Spanisch Kurse, da bisher noch keiner der selbigen stattgefunden hatte. Auch die Tagesausflüge nach Santiago sind im Moment noch ein wenig anstrengend, in diesem Falle bin ich jedoch der Meinung, dass es sich hierbei lediglich um eine Sache der Gewöhnung handelt.
Am letzten Samstagabend fand der letzte Teil der Geburtstagsfeier meines Mitbewohners statt und wir nahmen gegen neun Uhr abends zuerst einmal an einem sogenannten Ghostwalk auf einem sehr großen Friedhof teil. Was am Anfang nach Gruselabenteuer klang, war uns dann aber spätestens nach 3 Stunden Geschichtenerzählen über Stimmen aus dem Jenseits und bei gefühlten 5° C Außentemperatur auch zu viel.
Glücklicherweise sollte dies nicht das triste Ende des Abends darstellen: Im Anschluss an diese Veranstaltung ging es noch in eine Diskothek in Valparaíso mit Namen „Nautico“. Unser Vorteil bestand, darin, auf Grund der Geburtstagsfeier und eines gemieteten Bereiches, keine Wartezeit und keine Ausgaben für den Eintritt aufwenden zu müssen. Der erste Diskobesuch meinerseits in diesem Kontinent, war natürlich etwas ungewohnt, da die vorherrschende Musikrichtung Reggaeton war. Auch die Art und Weise wie die männlichen Chilenen Frauen ansprechen ist für Europäer im ersten Moment etwas ungewöhnlich, näher jedoch, möchte ich in diesem Moment nicht darauf eingehen.
Des Weiteren sollte Chao gleich noch Bekanntschaft mit einer beliebten Abzockermethode der Chilenen an Gringos machen. Diese funktionierte folgendermaßen: der Chilene war auf einmal da und wir dachten natürlich der gehört mit zu den Gästen, also waren wir nicht unhöflich, haben ihn begrüßt und kamen dann auch gleich ein wenig ins Gespräch. Irgendwann schlug er vor, zusammen ein Bier trinken zu gehen, als Deutscher kann man so einem Vorschlag ja eigentlich nie was Schlechtes abgewinnen. An der Bar meinte er dann, ja dein Bier kostet 2000 Peso, gib das mal dem Typen an der Kasse dort, kurz bevor dies geschehen sollte, kam Arnold und meinte: „Hey Chao hast du wirklich vor einem wildfremden Typen das Bier auszugeben, das ist hier ne ganz gängige Methode wie sich die Chilenen das Bier bezahlen lassen.“ Chao hat sich daraufhin ein kleines Bier gekauft und hat den Typen an der Bar stehen lassen.
Am Dienstag wurde von unserer Fakultät dem Departamento Industrias eine kleine Begrüßungsfeier veranstaltet. Alle Intercambios wurden von unserem Tutor Professor Weber begrüßt, der auch unser Ansprechpartner in Problemfällen ist. Des Weiteren wurde uns ein wenig über Chile als Land und über die Universität an sich erzählt. Da jedoch die Bremer Studenten schon mit einer gewissen Vorbildung über dieses Land hierher gekommen waren, war dies nicht nur eine kurze Vorstellung Chiles, wir konnten uns zum ersten Mal die Dinge, über die in Bremen möglicherweise nur gesprochen wurde, auch in Form eines kurzen Filmes ansehen. Im Anschluss daran hat uns eine junge Spanierin von ihren Reiseerlebnissen durch das Land berichtet und kam aus dem schwärmen kaum wieder heraus. Zu Guter Letzt wurden wir vom Professor sogar noch zu einer Grillparty bei sich zu Hause eingeladen, dieser Einladung sind wir natürlich alle gern gefolgt.
An diesem Dienstag besuchte ich auch zum ersten Male den hier angebotenen Taekwondo – Sportkurs, zusammen mit Chao-Ting und Benno. Ich bin mir zwar bewusst, dass mein Verband hier in Chile wohl kaum vertreten sein wird, jedoch hatte diese Stunde dort zumindest für die „Neuen“ nicht einmal mit dem Namen Taekwondo gemeinsam. Nach kurzer Aufwärmphase ging dann auch schon los, jedoch mit einem Selbstverteidigungskurs, während die Gurtträger Sparring – Training machen durften. Ich bin kein großer Fan von so einer Art der Selbstverteidigungsschule, da der Trainer nicht bei allen 26 Personen, darauf achten kann, dass sich niemand verletzt. Mein Unmut wurde natürlich auch noch bestätigt in dem sich Chao einen Zeh prellte/verstauchte/brach, so genau weiß er es selbst nicht. Das Training am Donnerstag dagegen sollte um einiges besser werden und hatte schon eher etwas damit zu tun, was ich unter TKD verstehe, aus diesem Grund habe ich mich auch dazu entschieden, weiterhin daran teilzunehmen. Den Trainer versteht zwar keiner der Intercambios, aber wir schauen einfach, was die Chilenen machen und versuchen dies dann nachzuahmen.
Am Mittwoch gab es bis zum Abend nicht wirklich nennenswerte Dinge zu berichten. Alle eingeladenen Studenten trafen sich um 8 Uhr abends vor dem A-Gebäude der Universität und wie fuhren dann alle gemeinsam zum BBQ des Professors. Und irgendwie scheinen die Chilenen immer so viel Fleisch im Kühlschrank zu haben, dass es schier unmöglich erscheint das irgendjemand sich danach nicht gesättigt fühlt. Die Veranstaltung war wirklich gut, man lernte die anderen Intercambios noch ein wenig besser kennen und auch die chilenischen Studenten, welche sich für die Austauschprogramme engagieren, außerdem wurden wir gleich noch in einem Tanz und in ein Paar neuen Trinkliedern geschult. Für diejenigen, welche in Valpo wohnen endete der Abend um 4 Uhr morgens mit einer überteuerten Busfahrt, da nach 20 Uhr hier alle Busfahren gern ihre Statistiken aufbessern möchten…
Der Freitag sollte wieder einmal das Highlight unserer Woche darstellen. Wir begaben uns zum zweiten Mal auf weite Reise nach Santiago de Chile und es dauerte, wer hätte das gedacht, genau so lang wie beim letzten Mal. Die einzige Motivation überhaupt nach Santiago zu fahren liefert der Prof. des Aerodynamikunterrichts, da er wirklich Begeisterung für den Kurs und den Stoff zeigt. Die Hausaufgaben jedoch, die wir regelmäßig von ihm aufbekommen, nehmen doch manchmal mehr Zeit in Anspruch als uns eigentlich lieb ist.
Am Abend waren Chao und ich zum Pokerspielen bei Arnold eingeladen, dort verbrachten wir dann letztendlich so viel Zeit, dass unser eigentliches Abendprogramm doch ziemlich gestaucht wurde. Dementsprechend viel der anschließende Clubbesuch eher kurz aus, was ich jedoch im Nachhinein nicht wirklich bereue. Einer meiner Mitbewohner sagte mir am nächsten Tag, dass es entweder richtig gut oder absolut schlecht dort in diesem Club ist, wir schienen scheinbar letzteres erwischt zu haben – jedoch, besteht somit immer noch die Möglichkeit einer Verbesserung.
Am Samstag hatte ich dann endlich mal Zeit um mich ein paar Pflichten für die Hochschule zu widmen, meine Motivation sorgte allerdings dafür, dass ich mir lediglich einen groben Überblick über die Aufgaben verschaffen konnte, welche ich anschließend auf den Sonntag verschob.
Gegen 9 Uhr abends fuhren meine Mitbewohner und ich zusammen mit Arnold und seiner Freundin Lenny ins Casino nach Vina del Mar. Im nächsten Moment befanden wir uns in einem kleinen Las Vegas, umgeben von Leuten, die nichts Besseres zu tun hatten, als den Betrag, welchen ich für einen Monat zur Verfügung stehen hatte, innerhalb von 5 Minuten durchzubringen. Chao schaffte es sogar an einem der Automaten 500 Peso zu gewinnen, was bei dem derzeitigen Wechselkurs jedoch lediglich 80 Cent waren. Anschließend erhielten wir die Möglichkeit in einen wirklich noblen Club zu gehen ohne Eintritt zu bezahlen, da Arnolds Freundin uns alle auf die Gästeliste setzen konnte. Geile Musik, heiße Frauen und teures Bier, was will man mehr. Dies war die bisher beste Lokalität, die ich hier in Südamerika besuchen durfte, wobei ich zugeben muss, dass ich bis dahin nicht wirklich viele Vergleichsmöglichkeiten hatte.
Fazit:
So langsam bekomme ich das Gefühl, das ich mit mindestens 10 Kilo mehr nach Deutschland zurückkommen werde, da ich hier zum Beispiel so etwas wie dunkles Brot noch nie gesehen habe, des Weiteren hat man hier nicht wirklich Lust in der Mensa zu Mittag zu essen und weicht stattdessen gern auf eine der Imbissbuden in der Nähe der Hochschule aus. Hat man jedoch das Glück von Chilenen bekocht zu werden, dann bekommt man eigentlich immer einen ausgewogenen Gaumenschmaus serviert. Einer unserer Tutoren hat uns zum Beispiel eine Familie gezeigt, welche in ihrem Haus Mittagtisch für die Studenten zubereitet, und das war bisher jedesmal „superrica“ wie man hier sagt.
So langsam kann ich mich auch ohne Hände und Füße recht passabel verständlich machen, ohne dass die Chilenen mich fragend angucken und im Nachhinein fragen „Perdon?“. Abschließend möchte ich gern sagen, dass es mir hier von Tag zu Tag besser gefällt und ich mich hier richtig wohlfühle und ich glaube ich bin nicht der einzige der dieser Auffassung ist. Nun gut, ich verabschiede mich wiedermal mit einem freundlichen „Hasta luego!“ und wünsche euch alles Gute, bis die Tage.

Viele Grüße vom Ende der Welt
Marco
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